Heute beginne ich damit, eine Übersetzung des TCM-Arztes Udo Lorenzen vorzustellen. Der Text ist aus dem Klassiker des Gelben Kaisers zur Inneren Medizin und erläutert, wie wir unseren Geist beruhigen (verwurzeln) können. Für unsere moderne Gesellschaft haben solche Texte inzwischen wieder eine ungeheure Relevanz!!
Das Neijing (Des Gelben Kaisers Klassiker zur Inneren Medizin) ist im Grunde genommen eine Darlegung kosmischer Prinzipien, denen der Mensch zu folgen hat. Folgt der Mensch beispielsweise den Jahreszeiten oder sorgt für seine Familie, ohne diese hervorzuheben, so wird Gesundheit diesen Menschen begleiten.
Wenn der Mensch jedoch glaubt über der Natur zu stehen (bewusst oder unbewusst), so wird Krankheit auf dem Fuße folgen. Das Neijing beschreibt alle Aspekte der Zusammengehörigkeit von Natur <> Mensch und gibt praktische Tipps für die Umsetzung.
Das Neijing wird nicht im wörtlichen Sinne gelesen, sondern intuitiv erfasst. Früher wurden die Kapitel auswendig gelernt und rezitiert. Es ist hilfreich zunächst den Zustand des “Rujing” zu erreichen, bevor man zu lesen beginnt. Nur in der Stille entfalten sich die Worte zu wahren Explosionen von tiefgründigem Wissen und ebensolcher Weisheit.
1.
Huang Di, der gelbe Kaiser fragt, sich vor Qi Bo verneigend: Bei allen
Methoden der Nadeltherapie muss man zuerst im Shen verwurzelt sein.
Blut und Gefäße, (nährendes) Ying und (aktives) Qi, Essenz und Geist,
das ist es, was die 5 Zang-Organe speichern. Wenn es (allerdings) dazu
kommt, dass sie bei Ausschweifungen und Zügellosigkeit ihre Speicher
verlassen, dann gehen die Essenzen verloren. Geist- und Körperseele
fliegen davon und zerstreuen sich, der Wille und das gerichtete Denken
geraten plötzlich in Unordnung, Weisheit und planvolles Handeln
verlassen uns. Wie kommt das? Ist es eine Strafe des Himmels? Hat der
Mensch seine Grenzen überschritten? Und was nennt man Dé, Qi,
Shêng, Jíng, Shén, Hun, Po, Xín, Yi, Zhi, ST, Zhi, LÜ ? Darf ich sie
danach fragen?
2.
Qi Bo antwortet: Der Himmel in mir ist Dé (Wirksamkeit/Tugend), die
Erde in mir ist Qi. Wenn De (herab-) strömt und Qi sich (wie ein Dickicht)
ausbreitet, dann entsteht Sheng (Geburt/Leben).
Die Tugend (De) ist eine Art Botschafter des Dao (Himmels). Im Zusammenfluss mit dem Qi der Erde entsteht dann das, was wir Leben nennen.
3.
Deshalb, wenn das Leben (Sheng) ankommt, spricht man von Essenzen
(Jing).
Das Jing ist nun belebt vom Geist des Dao (De) und durchströmt vom Qi der Erde.
4.
Wenn die beiden Essenzen (Jing) sich miteinander verknäueln, nennt
man dies Shen (Geist).
So entsteht im menschlichen Körper das, was wir Geist/shen nennen. Der Ursprung dieses Geisteswesensshen ist der himmlische Geist/Shen
5.
Das, was im Gefolge von Shen kommt und geht, nennt man Geistseele
(Hun), das, was zusammen mit Jing aus- und eintritt, nennt man
Körperseele (Po).
Eine spannende Erläuterung der Entfaltung des Wandels, der Zweiheit in die Geist-/Himmelsseele Hun, die in der Leber wohnt und der Erden-/Körperseele Po, die in der Lunge
beheimatet ist (genau genommen auch im Darm).
6.
Deshalb nennt man das, was die Verantwortung für all diese Dinge
übernimmt, das Herz!
Die Wohnung des Geistes shen und damit der Zugang zum göttlichen, himmlischen, ursprünglichen SHEN ist das Herz. Deshalb hat das Herz die Kaiserposition im Menschen inne.
7.
Wenn das Herz sich erinnert, spricht man von Yi (gerichtetes Denken).
Wenn die Absichten verweilen, spricht man von Zhi (Wille).
Wenn der Wille andauert und sich verändert, spricht man von Si
(Nachdenken).
Jetzt wird es schwierig…;-)! Aus Sicht der Daoisten ist alles schon angelegt und “bekannt” im Dao. Und das große Herz, der große Geist (Shen) kann all dieses Wissen übertragen auf das kleine Herz, den kleinen Geist (shen). Und diese Auffassungsgabe der “Erinnerung” an alles, der Wahrnehmung des Ganzen, ist die Funktion des Yi, das Geisteswesen der Milz (Pi).
Wenn sich dann die Willenskraft (Zhi) in den Nieren regt, so entstehen Absichten, die ausgeführt werden wollen. Wenn diese Kraft sich ständig im Kreise dreht und immer etwas Neues will oder einfach nicht zur Ruhe kommt, spricht man von nachdenken, sich im Kreise drehen (Si).
10
Wenn das Nachdenken in die Ferne schweift und sich nach etwas sehnt,
spricht man von Lü (Planung, aber auch: Verlangen).
Aus dieser Sehnsucht des Erschaffen-Wollens entsteht Planung, aber sehr oft eben auch Verlangen, Begierden, Wünsche.
11.
Wenn ein Plan unter bestimmten Umständen gegenständlich wird,
spricht man von Zhi (Klugheit, Weisheit, Know How).
Wenn wir unsere Planungen vom Herzen leiten lassen und mit Sorgfalt ausführen entsteht die (weise) Welt. Diese Art des Erschaffens benötigt die Weisheit (Zhi).